Artikel in japanischem Software Design Magazin
Jorge Mare macht uns aufmerksam auf einen Haiku Artikel in der Aprilausgabe der japanischen "Software Design", eine Zeitschrift, die früher auch schon über BeOS und später Zeta berichtet hat.
Bart Eisenberg stellt zu Beginn seines Artikels das Projekt Haiku vor; dass es 2001 als "OpenBeOS" von Michael Phipps gestartet wurde und 2003 in Haiku umbenannt wurde, um rechtlich nicht angreifbar zu sein.
Jorge selbst stellt die am meisten gestellte Frage zu Haiku: „Warum“? Wer ein offenes System will hat Linux. Für Anwenderfreundlichkeit gibt’s MacOS. Wer ein großes Softwaresortiment braucht, greift zu Windows. Ähnliches, bemerkt er jedoch, hätte man auch in den 90ern fragen können, als Linus Torvalds’ Linux auf der Bühne erschien. Die Zukunft einer Technologie bleibt unvorhersagbar.
BeOS ist auf einem Pentium III mit 256MB RAM äußerst fix. Leider läuft es auf modernen Rechner nicht oder nutzt deren Potential nicht zur Gänze. Und an dieser Stelle kommt Haiku ins Spiel. Obwohl sich Linux bereits recht gut im Markt für Ultra Mobile PCs (UMPCs) etabliert hat, könnte dies eine ideale Nische für Haiku sein. Im Gegensatz zu BeOS ist Haiku zudem noch mehr POSIX-kompatibel. Portierungen von (GNU/Linux) Programmen werden dadurch sehr erleichtert.
Andere Nischen sind die bereits von BeOS angezielten Multimediabereiche der Audio/Video Echtzeitbearbeitung. Jorge gibt allerdings zu Bedenken, dass die zwischenzeitliche Weiterentwicklung anderer Betriebssysteme und immer schneller werdende Rechner die Situation seit den BeOS Tagen verändert hat.
Als nächstes geht der Artikel ausführlich auf die Geschichte von BeOS ein. Beginnend bei der Gründung der Firma Be durch Jean Louis Gassée, der ersten BeBox, die Schwierigkeiten um die PPC Clones, den Beinahekauf durch Apple und dem anschließenden Wechsel zu x86 CPUs als das nicht klappte. Dann der Börsengang 1999 und der Absturz zwei Jahre später, der mit dem Verkauf an Palm für schlappe 11 Millionen Dollar endete.
Auch Haikus Rückschläge werden erwähnt. Wie von der Vorstellung Abschied genommen werden musste, dass die erste Alphaversion bereits wenige Jahre nach dem Start des Projekts fertig würde, wie Michael Phipps es in einem Wall Street Journal Interview 2003 voraussagte. Im September 2007 trat Michael dann als Projektleiter zurück. Bei seinem Abschied gab er dem Projekt noch einige Ratschläge mit auf den Weg: Man hüte sich vor „Featurismus“. Obwohl es langweiliger ist, sollten erst Bugs beseitigt und die Performance optimiert werden um eine stabile Version 1.0 herauszubringen. Danach sei genug Zeit coole Ideen auszuprobieren. Außerdem ist er der Meinung, Haiku brauche eine entscheidungsstarke Führung, da ein Management das ständig nach einem Konsens sucht nicht funktioniert könne. Bei allem sei jedoch der gegenseitige Respekt sehr wichtig.
Als nächstes kommt Bryan Varner zu Wort, der die OpenJDK Portierung leitet. Für ihn sind Betriebssysteme Werkzeuge die dem Anwender dienen sollen, nicht umgekehrt. Windows ist ihm ständig im Weg, Mac OS X nur auf Äußerlichkeiten bedacht und die gesamt GNU/Linux Welt irgendwie schrottig.
Haiku hingegen, sei simpel, reaktionsschnell und funktioniert einfach. Programmierer verwöhnt es durch seine verständliche, umfassende und modulare moderne API.
Ein Problem von Open Source Projekten ist natürlich die Abhängigkeit von der Freizeit der Entwickler. Die Unterstützung durch kommerzielle Unternehmen, die in der Lage sind Programmierer zu bezahlen, kann dieses ständige Auf und Ab ausgleichen.
Dane Scott kam mit der Version R3 zu BeOS und hat mit TuneTracker Systems ein kleines Unternehmen gegründet, dass sich auf BeOS Technologie verlässt. Er entwickelt Automatisierungssoftware durch die Radiostationen ihr Programm ohne ständige Aufsicht in den Äther bzw. Internet schicken können. Eine Demonstration der Technik ist BeOSRadio, das seit eh und je in 4 Streams Musik von, für und um BeOS und seine User sendet.
Dane ist begeistert von BeOS’ Stabilität und ruckelfreier Medienwiedergabe. Schon 2002 hat er TuneTracker Master-CDs auf einem 400MHz System mit nur 64MB RAM gebrannt auf dem gleichzeitig BeOSRadio gesendet wurde. Kein Ruckler, keine verbrannten Rohlinge.
Kein Wunder dass auch Dane gespannt auf Haiku wartet.
Dann folgt ein Interview mit Axel Dörfler: „Wenn ich noch mal von vorn beginnen müsste…“.
Axel ist praktisch Haikus Ansprechpartner für technische Fragen. Vier Monate nachdem das Projekt aus der Taufe gehoben wurde, kam Axel im Dezember 2001 dazu. Er leitet die Kernel Entwicklung und hat von allen Beteiligten den meisten Code beigesteuert. Seine Arbeit am Kernel basiert auf NewOS, das von Travis Geiselbrecht, Ex Be-Mitarbeiter, entwickelt wurde. Mit einem Hintergrund in Computerlinguistik und künstlicher Intelligenz arbeitet er als Berater für die Firma Mindwork, die ebenfalls an Haikus Entwicklung interessiert ist. Folgendes Interview wurde telefonisch von seiner Heimatstadt Hannover aus geführt.
Wie kamst Du zu Haiku?
Ich war lange Zeit BeOS User. Ich wurde da eher durch einen Zufall hineingezogen. Ich hatte einen Festplattenausfall und benötigte ein Tool um die Daten zu retten. Nachdem es so eine Software nicht gab, endete es damit, dass ich für dieses Tool das Be File System (BFS) für Haiku implementierte. So kam eins zum anderen und ich fand mich schließlich für den Kernel verantwortlich wieder.
Warum glaubst Du brauchen wir ein BeOS binär-kompatibles OS?
Wenn ich heute alles von vorn machen müsste, würde ich’s wahrscheinlich nicht noch mal anfangen. Obwohl es Linux weit gebracht hat, fiele mir eine tägliche Nutzung aber immer noch schwer. Selbst heute würde ich meine veraltete BeOS Installation nicht gegen eine aktuelle Linuxdistro tauschen. Wie damals ist BeOS auch heute noch flott, reaktionsschnell und anwenderfreundlich; es ist einfach, elegant und verständlich. Hätte ich damals gewusst wie aufwändig es ist ein Betriebssystem von Null an zu entwickeln… ich hätte es gelassen. Aber damals erschien es nicht dermaßen kompliziert.
nd schon fast paranoid darüber nachdenken was irgendwie schiefgehen könnte.
Programmierst Du in C++?
Meistens. Ein bisschen C, meistens C++ und etwas Assembler, wo es sich einfach nicht vermeiden lässt. Wenn man direkt die Hardware ansprechen will, führt kein Weg dran vorbei. Im Projektserver liegen mind. 5-6 Millionen Zeilen Code, ein großer Teil allerdings auch in Form der GNU Tools. Wir haben den nötigen "Userland" Code als Umgebung für Anwendungen und dazu die üblichen Shell Kommandos, die auf Haiku portiert wurden. Das stellt einen nicht kleinen Teil dieser Millionen Codezeilen dar.
Während ich also erfuhr, dass das Programmieren eines Betriebssystems schwieriger ist als ursprünglich vermutet, lernte ich viel über die Entwicklung von Hardware Treibern und sehr systemnahen Code. Und dass es sogar auf Kernel-Level sehr auf die richtigen Algorithmen ankommt.
Das Interesse an der Haikuentwicklung scheint sich von den USA nach Europa verlagert zu haben. Hast Du eine Ahnung warum?
Es fing in den USA an, weil der Gründer Amerikaner war. Das Interesse ebbte jedoch ab, weil die Leute anderes zu tun hatten -- wie den Lebensunterhalt zu verdienen. Europäische Entwickler waren von Anfang an interessiert. Von ihnen blieben über die Jahre einfach eine größere Zahl übrig. Daher das europäische Übergewicht.
Warum glaubst Du sind die Europäer eher bereit ihre Zeit zu investieren?
Schwer zu sagen. Bei mir ist Haiku die Erklärung, warum mein Studium sich so lang hinzog. Das trifft nicht auf alle Entwickler zu, aber bei mir verschlingt Haiku große Teile meiner Freizeit.
Wird Dir Deine Erfahrung beim Kernel-Programmieren beruflich was bringen?
Ich arbeite größtenteils als freier Mitarbeiter bei der deutschen Firma Mindwork, die Interesse an Haiku hat. Ich entwickle Treiber als Teil meines Jobs. Ohne meine Arbeit an Haiku hätte ich diesen Auftrag gar nicht. Mindwork Produkt stellt Nachrichten, Werbung und anderes auf großen Bildschirmen in Einkaufszentren dar. Die Inhalte werden dabei mehr oder weniger live aus dem Internet gezogen. Momentan nutzt Mindwork dazu BeOS, ein Wechsel zu Haiku ist aber geplant sobald das möglich ist.
Kann uns das Haiku Projekt irgendwas über die Open Source Entwicklung in der Vergangenheit und deren Perspektive für die Zukunft sagen?
Open Source Projekte können untereinander konkurrieren. Nicht, dass das für Haiku in den nächsten Jahren das Ziel wäre, aber irgendwann könnte es dazu kommen. Und, für jemanden der ein Unternehmen hat, kann es Sinn machen jemand einzustellen um an einem Open Source Projekt zu arbeiten.
So, wie es bei Dir der Fall ist?
Genau. Das ist schön, weil durch diese Investition nicht nur für das Unternehmen was rumkommt, sondern für alle anderen auch. Nicht immer im Interesse des Unternehmens, aber meist kein Problem.
Haiku ist ohne Open Source zu sein kaum vorstellbar.
Es wäre einfach unmöglich es kommerziell zu tun. Denk an all die Betriebssystem, die kommerziell nicht mehr unterstützt werden. Nicht nur BeOS, sondern auch GEOS, CP/M und OS/2. Bist Du kein Microsoft oder Apple kann ein Projekt wie Haiku nur als Open Source angegangen werden. Und es ist schön, dass so viele Leute helfen wollen -- es ist wirklich sehr viel Arbeit, ein Riesenprojekt.
Wie viele sind momentan damit beschäftigt?
20 oder 25 aktive Programmierer. Nicht alle arbeiten jeden Tag oder auch nur jeden Monat dran, aber sie arbeiten kontinuierlich an etwas. Kürzlich hatten wir einige Neuzugänge. Einige kannten uns vom Google Summer of Code Event. Alle paar Monate kommt wieder jemand neues dazu und bringt sich ein.
Freitag, 28. März 2008
Artikel in japanischem Software Design Magazin
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